Das ungeliebte Berichtsheft im Zeitalter der digitalen Ausbildung

Zu diesem Thema gibt es eine lange Vorgeschichte.

Berichtsblock_B502_ml.jpgSeit 2011 bin ich nicht mehr im aktiven Schuldienst , aber wer mich kennt, weiß, dass ich mich immer noch mit Lernen, Bildung und innovativen Möglichkeiten befasse, die Lernenden in den Fokus zu stellen um eigenverantwortliches und kreatives  Lernen zu fördern. Als "Mahara Granny" in Deutschland befasse ich mich seit 2008 nach Moodle auch mit der ePortfolio Plattform Mahara und kann auf viele Jahre Erfahrung sowohl in der Anwendung in der Schule als auch in der Lehrerfortbildung sowie auf Konferenzen zurückgreifen.

In der beruflichen Schule habe ich oft die "Berichtshefte" meiner Schüler gesehen , ein wahres Trauerspiel und von niemand mit Begeisterung weder erstellt noch gelesen und zu einer lästigen Pflichtaufgabe degradiert. Irgendwann hatte ich dann den Gedanken, nachdem meine Schüler in Mahara ihre Praxisberichte schreiben durften, dies doch auch für die Berichtshefte zu ermöglichen. Da hier allerdings mehrere Akteure betroffen sind, von den Kammern über überbetriebliche Ausbildungsstätten bis zu den Schulen, war dieses Projekt allein nicht zu realisieren und stieß auch nicht auf Unterstützung.

Nach all dieser Zeit treibt mich jetzt dennoch wieder die Passion, in der Bildung etwas zu bewegen, und mit der anstehenden Mahara Hui DACH 18 in Wien im Dezember könnte sich eine Möglichkeit ergeben, Mitstreiter und Unterstützer zu finden. Vienna Calling, wie es Thomas Strasser so schön formuliert hat.

So sitze ich nun in meiner zweiten italienischen Heimat und befasse mich seit langer Zeit wieder mit Mahara und einem neuen alten Projekt.

Nach Recherchen im Internet konnte ich feststellen, dass die meisten Kammern mittlerweile auch elektronisch geführte Ausbildungsnachweise zulassen, so daß man von einer gewissen Offenheit ausgehen kann.

Es soll hier aber nicht um eine 1:1 Umsetzung der alten Form des Berichtshefts gehen, sondern um eine Erweiterung , die sowohl für den AzuBi als auch die Ausbilder eine andere Dimension darstellt.

Der Auszubildende hat durch die Verwendung digitaler Artefakte, sprich Fotos oder Videos seiner Tätigkeiten, Erklärpodcasts etc, die Möglichkeit, seine Ausbildung und das Erlernte anschaulich zu machen und Probleme mit anderen in der Gruppe zu besprechen und gemeinsame Lösungen zu finden.

Dabei kann vom einfachen Dokumentieren mit Hilfe von Text und Bildern zu komplexeren Schritten, wie Erklärvideos, die auch für andere hilfreich sind, übergegangen werden. Damit würde auch eine Vorbereitung auf die spätere Arbeitswelt erfolgen, wo eine Zusammenarbeit nicht nur erlaubt sondern erfordert wird.

Vorgehen

Beim Umsetzen dieses Projekts ergeben sich folgende Fragen und Vorgaben:

  • Das digitale Mahara Projekt erfüllt gegenüber dem normalen Ausbildungsnachweis erweiterte Aufgaben
  • Die erweiterten Aufgaben erfordern von den Auszubildenden einen Mehraufwand an Arbeit
  • Um diesen Mehraufwand lohnenswert zu machen, muß das digitale Berichtsheft entsprechende Aufwertung und Wertschätzung z.b. in Form von Punktesystemen erfahren.
  • Der Mehrwert entsteht jedoch vor allem durch die anschauliche Dokumentation des Erlernten und die Auseinandersetzung damit.
  • Die bisherige "Kontrolle" des Berichtshefts durch die Ausbilder würde dann durch qualifiziertes Feedback ersetzt, das in den vorgeschriebenen Zeitfenstern erfolgen müsste.
  • Um den Ausbildern, den Lehrpersonen den Einblick in die Einträge zuermöglichen, muss eine Freigabe für die entsprechenden Personengruppen erfolgen, was bei MAHARA überhaupt kein Problem darstellt.
  • Das" Berichtsheft" und die täglichen Einträge wären dann als Journal zu führen, das in die entsprechende Ansicht eingebettet wird. Die täglichen bzw wöchentlichen Einträge erhalten automatisch den Zeitstempel der Erstellung.
  • Die Ansicht selbst sollte Informationen zum AzuBi selbst, zum Betrieb, zum Beruf etc  erhalten. Hier könnten unterstützend Vorgaben zum Aufbau und Inhalt gemacht werden, um eine einheitliche Grundstuktur zur Orientierung zu erhalten.
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Mehrwert des digitalen Berichtsheftes

Für die Azubis:

  • Kontinuierliche Dokumentation des Lernens im Betrieb
  • Grundlage für Prüfungen
  • Zeigen von Kompetenzen und Fortschritten des Lernprozesses
  • Eigenverantwortung für die Auswahl von Artefakten und Dokumentation
  • Grundlage für Bewerbung auf einen Job
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Für Ausbilder/Betrieb

  • Detaillierter Einblick in den Lernprozess und Überblick über das Gelernte
  • Einsicht in die individuellen Kompetenzen der Azubis
  • Grundlage für die Prüfungen : Tablet statt Berichtsheft
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Für Schule

  • Überblick über den Lernprozess und die Abläufe im Betrieb
  • bessere Abstimmung der Lerninhalte zwischen Schule und Betrieb
  • Vernetzung mit Betrieb, bessere Kommunikation
  • Grundlage für Bewertung als Bonussystem
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DA DIESE ART VON DIGITALEM BERICHTSHEFT EINEN ERHÖHTEN AUFWAND FÜR DIE AZUBIS BEDEUTET, MUSS DAFÜR EINE "BELOHNUNG" DURCH PUNKTE ODER NOTEN EEFOLGEN.

 

Apps Berichtsheft

Seit einiger Zeit gibt es auf dem Markt diverse Apps zum Führen des Berichtsheftes vom Smartphone aus, was sich anscheinend bei vielen Betrieben schon durchgesetzt hat.

Beiepiel ist die Firma San Lucar in Ettlingen, die ihren Azubis die Berichtsheft App für Groß-und Außenhandelskaufmann zur Verfügung stellt und sie auch für die Prüfungen als Dokumentation zulässt.

Das bringt jedoch vom Lernwert und vom Inhalt noch keine echten Vorteile sondern verlagert das Schreiben auf papier oder in Formularen lediglich auf das Smartphone.

MAHARA kann ebenfalls von der App aus bedient werden, so dass die Azubis auf dieses beliebte Feature nicht verzichten müssen. Im Gegensatz zu den Berichtsheft Apps kann die Mahara App wesentlich mehr, vom Upload von Artefakten über Einträge ins Journal bis zu Forenbeiträgen und Nachrichten...