Neue Fortbildungsformate

In der zwölften Folge von PvdS sprachen Andreas Hofmann (@halfman1334), Dejan Mihajlović (@DejanFreiburg) und Anselm Sellen (@amsellen) über Fortbildungen. Dabei wurden Erfahrungen zu bestehenden Formaten ausgetauscht und Ideen für neue Formate abgeleitet. Viele ihrer Aussagen decken mit meinen Gedanken, das Gespräch ist hier im ersten Abschnitt verschriftlicht zusammengefasst und um eigene Überlegungen ergänzt (in eckigen Klammern). Ergänzend der Hinweis, dass ich der Lesbarkeit wegen das generische Maskulinum verwende.

1.    Was leisten bestehende Fortbildungsformate?

Konferenz:
• Sie erreicht bloß diejenigen, die dort hinkommen. Multiplikation in den Schulen findet kaum statt. [Das ist auch mein Eindruck.]
• Teilnehmer werden entweder delegiert (das erzeugt Widerstand/Konsumentenhaltung) oder sie sind im günstigsten Fall freiwillig dort, um sich inspirieren zu lassen (Chance zum mindset-shift). Sie nehmen Ideen mit und bilden sich als Individuen. Mit der Arbeit in der Schule, der Unterrichtsentwicklung und dem Lernen hat das erstmal nur im Modus des Ausprobierens und bestenfalls noch Integrierens in den je eigenen Unterricht zu tun.
• Die Teilnehmer und Referenten bewegen sich in einer Filterblase, jeweils die neueste “Sau” wird “durchs Dorf getrieben”, das führt zu kurzfristigem, schnell wechselndem Methoden-Hype (z.B. “Toolification”).
Un-Konferenz/Barcamp:
• Die potentiellen Teilgeber sehen sich oft entweder als Teilnehmer – Frage nach den Inhalten/Ankündigungen der Workshops – oder als Verantwortliche (Organisatoren) für den Erfolg des Barcamps, dann werden Workshop-Inhalte aus Furcht vor vermeintlichem Scheitern und entgegen der Idee des Barcamps schon vorher formuliert.
• Es wird beobachtet, dass die Workshops, in denen nicht etwas – meistens eine Methode – vorgestellt, sondern eine Frage/ein Thema mitgebracht wird, zu der/dem ein Austausch stattfinden soll, den Teilgebern eher den Eindruck von Produktivität und Selbstwirksamkeit  vermitteln. [Das Fehlen präsentabler Inhalte beinhaltet ja nicht zwingend auch den Verzicht auf die Vorbereitung einer (Moderations-)Methode, mit welcher der thematisierte Gegenstand sich bearbeiten lässt. Anm. N.M.]
SchiLF:
• Schulinterne Fortbildungen werden als wenig effektiv erlebt. Die Rahmenbedingungen sind ungünstig: Präsenzpflicht eines Schulkollegiums, das in der Mehrzahl oft uninteressiert ist (und den wenigen Interessierten die Inspiration vergällt). Oft wird damit kein Ganztag gefüllt, die SchiLF dient auch eher der Selbstbestätigung als der Entwicklung [das zumindest erlebe ich auch anders, Anm. N.M.], als Alibi-Veranstaltung.
Webinar, Online-Kurs/MOOC:
• Ein Vorteil dürfte die flexiblere Zugriffsmöglichkeit und die große Reichweite sein. Webinare können immerhin im Nachhinein noch gesehen und kommentiert werden, wenn auch der Chat dazu im Wesentlichen zeitgleich zur Aufzeichnung stattfindet.
• MOOCs sind offene Online-Kurse, in einem vorgegebenen Rahmen kann der Teilnehmer Kursbeginn und -dauer für sich entsprechend den eigenen Erfordernissen (z.B. Lerntempo) selbst wählen. [Sie erstrecken sich oft über einen längeren Zeitraum, in dem die Teilnehmer Aufgaben bearbeiten. Parallel dazu dienen Foren oder Chats dem Austausch und der Kollaboration der Teilnehmer, es kann auch Begleitung durch Moderatoren angeboten werden. Sie bestehen also abwechselnd aus Instruktions- und Selbst- oder Teamlernphasen. Wirklich neu sind MOOCs nicht mehr. Einige VHS (z.B. in Bremen) arbeiten schon seit etwa drei Jahren an/mit dem Format. Anm. N.M.]

Bei den Konferenzformaten steht in der Mehrwert im Sinne von Fortbildung in Frage, sie werden eher als Möglichkeit gesehen, Ideen zu verbreiten/anzustoßen und schulübergreifend/(über)regional zu netzwerken. [Sie sind also Innovatoren- bzw. early-adopter-Formate und in dieser Hinsicht wertvoll. Die Frage sollte lauten, wie diese Formate so entwickelt werden können, dass in den Schulen mehr davon ankommt, sie also für die early majority geöffnet werden können. Eine weitere Frage könnte die nach ergänzenden Formaten sein.]

Es wurde einmal kurz die Frage aufgeworfen, ob es es zielführend sein kann,  Lehrer zu Fortbildungen zu “schubsen” (push). Danach kam die Diskussion jedoch wieder auf eine “Magnettheorie für Barcamps” zurück und fokussierte mithin auf die individuelle Lehrperson. Soweit die Verschriftlichung der PvdS-Folge.

2.    Exkurs: Fortbildungsplanung in Schulen

Wie wäre es, wenn man mal von der Organisation Schule her denkt? Aus der Schulentwicklungsperspektive – zumindest für berufliche Schulen in BW – könnten geeignete Fortbildungen tatsächlich attraktiv sein (pull). Schulen sollen/müssen eine Fortbildungsplanung haben. Es gibt nämlich (verbunden mit operativer Eigenständigkeit) den Druck für jede Schule, sich gemäß ihrer Zielvereinbarungen mit der Kultusverwaltung auf die darin formulierten Ziele hin zu entwickeln.

Der Korridor möglicher Ziele wird von der Kultusverwaltung vorgegeben, Kulminationspunkt ist das Lernen der Schüler, das effektiver und effizienter werden soll. Dabei kommt dem Einsatz digitaler Medien inhaltlich – Stichwort Medienmündigkeit – wie auch methodisch – als Erweiterung der Möglichkeiten bei der Lernzeitgestaltung, dem selbstgesteuerten, personalisierten Lernen, kooperativen Lernformen, etc. – ständig wachsende Bedeutung zu.

Nicht zuletzt ist Digitalisierung ja auch politisch gewollt und wird infrastrukturell – ob mit Tabletklassen, wie in BW, oder mit dem Aufbau von WLAN-Netzen und Lernangeboten – vorangetrieben. Die Frage: Wie können wir digitale Medien in Hinblick auf unsere Ziele sinnvoll einsetzen?”, dürfte also viele Schulen beschäftigen, nicht nur in BW.

Bei der Fortbildungsplanung werden Schulen in BW auf Anforderung von Fachberatern begleitet. Die Fortbildungsplanung beinhaltet die Erhebung des Fortbildungsbedarfs – in Abhängigkeit von den spezifischen Schul- und Unterrichtsentwicklungszielen der Schule und idealerweise unter Mitwirkung an der Unterrichtsentwicklung beteiligter Lehrerteams (ggf. auch der Schüler, Eltern und Betriebe). Koordinationsstelle für die Fortbildungsplanung ist ein entsprechend Beauftragter der Schule. Ich nehme an, dass sich in anderen Bundesländern ähnliche Verantwortliche identifizieren lassen. Ihnen kommt möglicherweise eine strategische Bedeutung zu bei der Entwicklung neuer Fortbildungsformate.

3.    Wie könnten neue Fortbildungsformate aussehen?

Wenn Schule als Organisation sich für Fortbildung interessiert, dann meistens nicht weil “Digitalisierung” als solches im Fokus steht (eine Ausnahme bilden vielleicht manche Tablet-Projekte), sondern weil Teams der Schule an Entwicklungsaufgaben arbeiten, bei denen “Digitalisierung” einen Mehrwert verspricht. Wenn das nicht der Fall ist, können Impulse zur Einführung digitaler Medien geradezu verpuffen (und langfristige Initiativen sehen sich beharrlichem Widerstand gegenüber), das zeigen eigene Erfahrungen und Berichte aus anderen Bundesländern. Teams die Möglichkeit zu geben, an ihren Entwicklungsaufgaben zu arbeiten und dabei den Mehrwert digitaler Medien zu erproben, wird dagegen besser angenommen.

Ich bin an verschiedenen Formaten beteiligt, bei denen Unterrichtsentwicklungsteams sich zu Fortbildungen in der hiesigen Lehrerakademie anmelden, um dort an ihrem Projekt zu arbeiten. Dort stehen ihnen Experten zur Verfügung, auch für den Einsatz digitaler Medien, die nach Wunsch Instruktion, Training oder Beratung anbieten können. Dabei steht die pädagogische Frage nach dem Wozu im Vordergrund, Inhalte sind eher methodische Großformen, die sich in 90-minütigen Workshops kaum so vermitteln lassen, dass sie anschließend selbstständig angewendet werden können, wie Flipped Classroom oder ePortfolio. Die Fortbildungen sind als Blended Learning angelegt, nach einem Zeitraum der Erprobung finden ein oder mehrere Folgetermine statt, in denen nachgeschult oder vertieft werden kann.

Auch Online-Kurse ließen sich für Fortbildungen von Teams einsetzen. Sie hätten den Vorteil, dass weder das Team noch die Experten zum Ort der Fortbildung reisen müssten, wenn der Kurs vollständig online abläuft. Es wären aber auch einzelne Präsenztermine denkbar, zwischen denen die Experten online konsultiert werden können.

4.    Anpassung für bestehende Fortbildungsformate

Und wenn der Experte nicht zum Team kommt? Dann kommt das Team zum Experten. Auch auf Konferenzen, Barcamps etc. könnten Schulen sicherlich gewinnbringend mit Teams teilnehmen. Aber sind die Konferenzen auch darauf vorbereitet, dass Teams dorthin kommen, um an ihrer Entwicklungsaufgabe zu arbeiten? Vielleicht in dem die Teammitglieder nach einer Phase für die Inspiration/das Sammeln von Ideen eine Phase zum Sortieren und anschließend eine Phase zum Arbeiten haben, in der sie Experten hinzuziehen können?

Die 90-Minuten-Slots vieler Konferenzen sind dafür jedenfalls ungeeignet, zumal wenn der beklagten Konsumhaltung der Teilnehmer auch noch Vorschub geleistet wird und jeder Workshop mit Null Vorkenntnis besucht werden kann. Wann höre ich von dem ersten Mutigen, der – Flipped Classroom lässt grüßen – die Teilnahme an seinem Workshop von einer Vorbereitung mit Hilfe vorher zur Verfügung gestellter Medien abhängig macht?

Und zur Klage über sinnlose SchiLFs: Wie wäre es, wenn der eingeladene Experte die Anfrage mit der Gegenfrage beantwortet, wozu seine Expertise gebraucht wird und an welcher Entwicklungsaufgabe er die Ehre der Mitwirkung haben wird? Die Schulen, die ihre Anfrage danach aufrecht erhalten, werden den Experten sinnvoll zu nutzen wissen. Damit ließe sich die Expertise zum Einsatz digitaler Medien wirksam und nachhaltig in die Fläche bringen.

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Bisherige Beiträge

Digitalisierung – Neue Fortbildungsformate (05.03.2017)

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